Was ist ein Lector?
Lector bezeichnet einen gebildeten Mitarbeiter einer Zigarrenfabrik, der im Rahmen des Produktionsverfahrens durch das laute Vorlesen von Zeitungen, Romanen oder ähnlichen Publikationen für Beschäftigung unter den Zigarrenrollern - den Torcedores - sorgen soll. Besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Tradition des Lectors äußerst populär und wurde in vielen Zigarrenfabriken auf Kuba durchgeführt. Diese Aufgabe wurde in der Regel von Männern übernommen, die über einen weitaus höheren Bildungsstand als die Zigarrenroller (Torcedores) verfügten. Selten fungierten auch Frauen als Lector. Heute wurde der Lector weitestgehend auch auf Kuba von einem Radio ersetzt, das für Unterhaltung und Informationen bezüglich des Weltgeschehens bei der Arbeit oder eben für die passende Propaganda sorgt.
Aufgaben des Lectors
Während die Zigarrenroller ihrer Arbeit nachgingen, las der Lector aus zu dieser Zeit populären Schriften vor oder gab die Berichterstattung der hiesigen Zeitung wieder. So wurden die Arbeiter über aktuelle Ereignisse aus ihrer Heimat informiert und erhielten durch Romane wie Les Miserables, Der Graf von Monte Cristo oder auch Tragödien von berühmten Schriftstellern und Dichtern einen Einblick in die Weltliteratur. Selbst dann, wenn sie selbst nicht lesen konnten. Oft bewies der Vorleser dann sogar schauspielerisches Talent und unterhielt die Zigarrenroller mit einer besonders anschaulichen Darbietung der geschriebenen Worte. Daher waren es auch die Torcedores, die den Lector letztendlich für seine Arbeit bezahlten und diese sehr zu schätzen wussten.
Lector - kubanische Tradition
Der Lector erfüllte bei seiner Arbeit allerdings nicht nur den Zweck, die Zigarrenroller während ihrer Arbeit zu beschäftigen. Er sollte zugleich auch für Bildung und Allgemeinwissen unter den Arbeitern sorgen. Viele waren relativ ungebildet, konnten weder lesen noch schreiben und sollten über den Vorleser einen Einblick in die Weltliteratur oder auch in aktuelle politische Geschehnisse erhalten. Dadurch sollte auch das Leben und Arbeiten in der Fabrik verbessert werden. Im Zuge der Kuba Revolution lasen die Lectoren auch immer öfter populistische selbstverfasste Schriften vor, unter anderem auch, um die Torcedores hinsichtlich ihrer Rechte aufzuklären und sie zum Freidenken zu bewegen. Die Tradition des Lectors wird in Kuba übrigens bis heute zumindest in einzelnen Manufakturen weitergeführt.